Das Leben eines Travelers ist einzigartig – deine Welt sind die Sterne, und deine Aufgaben ändern sich täglich, je nachdem, wohin du gehst und was du jagst. Heim und Herz werden entfernte Echos. Deine Jagd nach Relikten und Waffen, die bei deinem Kampf für die Menschheit helfen, bestimmen deine Logistik und dein Leben.
Aufregend. Herausfordernd. Belebend. Das Leben eines Travelers. Aber abgeschieden ebenso. Und einsam. Jahre – Jahrzehnte sogar – fern von Freunden, Familie, Zuhause. Jeder Exodus birgt das Risiko, nie zurückzukehren. Wer würde dich suchen kommen? Wer könnte dich auch nur finden? Die Reise eines Travelers ist oft dringend, das Ziel unbekannt.
Aber in der Einsamkeit deiner Berufung gibt es ein Band, das Zeit und Raum überwindet: die ewige Bindung, die du mit anderen Travelern teilst. Jedes Mal, wenn du zu einem Exodus aufbrichst, weißt du, dass dort draußen andere wie du sind. Mitstreiter und Konkurrenten, alle auf einer ähnlichen Mission in den Sternen. Und auch wenn sie selten in der Nähe sind, sind sie dir doch im Geiste nahe.
Ab und zu erheben sich diese Momente, die in den dunkelsten Ecken deiner Gedanken lauern. Wenn du feststeckst, an einem Ort oder in einer Zeit, so zufällig oder entlegen, dass es jeder Logik und jedem Sinn spottet, dorthin zu gehen. An diesen Orten fragst du dich stets, wer dich finden würde, wenn etwas schiefgeht?
Die Antwort findest du, wo du sie am wenigsten erwartest. Sogar in der Leere des Weltraums besteht das Band zwischen Travelern, durchdringt die Verheerungen der Zeit und die Narben alten Verrats. Es ist, was uns eint. Uns bindet. Uns zu Travelern macht.
Sie war seit fünf Tagen auf dem Mond – Elequeri-Rechnung, also sieben nach Erdmaßstab –, bevor sie die Funkbake aktivierte. Widerwillig, da sie noch nie zuvor um Hilfe gerufen hatte, und nun ließ es ihr keine Ruhe. Hoffnung hatte sie keine, denn wer würde schon zuhören?
Eliase Quento, die große Erkunderin, Grabräuberin, Geisterzerstörerin, Sprecherin zu zerfallenden Verständen von Relikttechnologie, würde hier draußen sterben.
Der Mond war auf niemandes Radar, aber sie war Karten gefolgt, die bei Elequeri-Ausgrabungen gefunden worden waren. Die Kultur, die auf einer nun menschlichen Welt Ruinen hinterlassen hatte, hatte Stätten in anderen Systemen. Pilgerziele. Ihre Zivilisation war stabil genug und sie selbst langlebig genug gewesen, dass diese Entfernungen kein Problem für sie waren. Für Eliase bedeutete das neue Gesichter, Stadtkarten, Geopolitik, aber so war das, wenn die Wanderlust einen über eine einzelne Sonne hinausführte. Man lernte, sich nicht an das zu binden, was man zurückließ.
Warum auch, ich komme ja nicht zurück. Niemand würde sie betrauern. Niemand würde das Glas erheben. Sie würden sie in einem Jahr, einem Jahrzehnt, einer Generation zurückerwarten. Alle, die sie kannten, würden in der Annahme alt werden und sterben, dass sie bald zurückkehren würde.
Nichts in ihren geplünderten Dateien hatte darauf hingewiesen, dass die uralte Pilgerstätte von Lasergeschützen verteidigt wurde. Die Abwehrgeschütze ihres Schiffs hatten diese ausgeschaltet, aber da war dieses schon vollkommen durchlöchert und sie in ihrem Anzug, bevor sie einen Absturz mit Mühe und Not in eine harte Landung verwandelt hatte. Was auch nur so halbwegs funktioniert hatte.
Danach schlachtete sie fünf Tage lang sämtliche verwendbaren Teile aus. Sie arbeitete daran, den Druck im Schiff wiederherzustellen, dann die Lebenserhaltung, dann die Triebwerke. Und dabei gingen ihr die Teile und die Möglichkeiten aus, da sie diese nie reparieren können würde.
In dem System gab es keine Menschen. Einige der anderen Welten hatten Changeling-Bewohner, vielleicht ein paar Aussteiger-Celestials. Aber diese waren nicht hier, und sie würden sich nicht interessieren.
Ich habe so viel gesehen. Sie hatte plötzlich das Bedürfnis, alles aufzunehmen, ihr Leben festzuhalten. Aber das Schiff funktionierte nicht richtig, und wer würde es lesen?
Neben ihrem abgestürzten Schiff wachte stumm ein vakuum-verheerter Palast, die Türen dem Maul einer Großkatze nachempfunden. Am zweiten Tag war sie hineingegangen und hatte einen Komplex gefunden, der tief in den Mond reichte. Dort leuchteten noch Lampen, und sie erblickte die unnatürlichen Bewegungen von Geistern auf uralten Botengängen. Ein wahrer Schatz uralter Technik, aber sie und all ihre Ausrüstung waren nicht mehr in der Lage, etwas damit zu tun.
Vielleicht würden eines Tages die letzten Funken ihrer Bake jemand anderen herführen, der das Versprechen dieses Orts würde nützen können. Vielleicht würde sogar ihr verdorrter Körper Beachtung finden.
Am siebten Tag meldete sich jemand, aber das war schlimmer. Denn es war Solaire Misza.
Eliases Bildschirme waren gesplittert, das Bild der Frau wie ein Puzzle mit fehlenden Teilen. Solaire war dunkel, mit flachen Gesichtszügen, das Haar zu Igelstacheln frisiert. Und in ihrem mechanischen Auge war mehr Wärme als in ihrem lebenden. Vermutlich weil Eliase der Grund war, dass sie es hatte, genau wie Solaire der Grund dafür war, dass Eliases rechtes Bein vom Knie abwärts künstlich war. So wie Solaire Eliases letztes Schiff zerstört hatte und Eliase Solaires Liebhaberin auf Elequer getötet hatte, vor zehn persönlichen Jahren und einem Elequeri-Jahrhundert.
„Du bist mir gefolgt“, warf Eliase ihr vor.
„Bin ich das? Ich bin einer Spur gefolgt. Alten Aufzeichnungen, Sternenkarten, Hinweisen toter Journalisten.“ Hinter Solaire schwebte eine Gestalt in der Schwerelosigkeit. Ihr einziges Crewmitglied, ein erwecktes Schwein so groß wie ein kleines Fahrzeug, hielt ihr Schiff in Stand.
„Du hast ja die Verteidigung für mich ausgeschaltet“, bemerkte Solaire. „Schau an. Drei Generationen haben wir uns auf Elequer verdroschen, und endlich tust du mir einen Gefallen.“
„Komm hier runter, dann tu ich dir noch einen“, knurrte Eliase.
Solaire schenkte ihr das Lächeln einer Frau, die definitiv die Oberhand hatte. „Ich weiß nicht, ob ich dich besser hier lassen oder dir einen Stein auf den Kopf werfen soll, um dein Leid zu beenden. Weißt du noch, Camp Banderai, ich war tief unter dem Eis und du hast meine Sicherung durchtrennt?“
Eliase nickte. „Hätte dableiben und sichergehen sollen. Damals in Tzarkov Orbital? Hast mein Date getötet. Wir haben getanzt. Du hattest diese Drecks-Celestialknarre, deren Kugeln durch Mengen flitzen.“
„Eigentlich hast du mein Ziel gedatet“, erklärte Solaire. „Sie hatte das verdient. Ich meine, du wusstest doch, dass sie eine Tyrannin war. Sie hatte bei diesem Aufstand elftausend Leute erschießen lassen.“
Eliase runzelte die Stirn, erinnerte sich und nickte. „Ich glaube, das ging durch die Nachrichten. Ist jetzt Geschichte. Aber ich hätte gern mit ihr fertig getanzt.“
Solaires Gesicht war ausdruckslos. Ihr Metallauge drehte sich und fokussierte klickend. Es war ein Changeling-Gerät, nie für Menschen gedacht. Als sie damals geschrien und getreten hatte, das halbe Gesicht weggeschossen, hatte ihre damalige Crew nicht viele Optionen gehabt.
„Desiran“, sagte sie.
„Das schon wieder“, beschwerte sich Eliase. „Ganze Menschenleben sind vergangen, Solaire. Komm drüber weg.“
„Ich hatte mich niedergelassen“, sagte Solaire. „Mich zur Ruhe gesetzt. Und doch warst du hinter mir her.“
„Ich habe ihn nicht getötet.“
„Musstest du nicht. Nach dem, was du ihm über mich erzählt hast, musste ich ihn selbst töten.“
„War doch alles wahr.“
Solaire nickte. „Und das hilft wie genau? Ich wollte es ihm erzählen, ist unwichtig. Eine Reise, ein anderer Stern, und wenn wir zurückkommen, sind alle, die noch wissen, was ich getan habe, altersschwach. Aber für ihn waren das frische Wunden, er konnte mir nicht vergeben. Und wen interessiert das noch? Das ist ein Jahrhundert her. Die haben ein Einkaufszentrum gebaut, wo das ganze Blut vergossen wurde.“ Ein plötzlicher Themenwechsel. „Ich erfasse Energiemuster. Du hast wohl den Hauptgewinn gefunden. Wie schade, dass du dir nicht die Taschen füllen und auf Elequer reich werden kannst.“
„Ich hoffe, die Geister erwischen dich“, antwortete Eliase.
Solaire nickte geistesabwesend, das Gesicht ausdruckslos. „Ich schicke einen neuen Antriebskern runter“, sagte sie. Hinter ihr grunzte der Eber eine Frage und machte sich dann an die Arbeit.
„Was?“ Fragte Eliase.
„Für dein Schiff. Du bist doch sicher noch gut genug, ihn einzubauen. Wird nicht hübsch, aber du kannst nach Hause stolpern.“
Eliase starrte sie an. „Du hasst mich. Ich hasse dich und du hasst mich.“
„Das fasst unsere Vergangenheit gut zusammen“, stimmte Solaire zu.
„Also spotte einfach und bring es hinter dich.“
Solaire sah alt aus, nur einen Moment lang. Nicht mal ihr eigenes Alter, sondern all die Jahre, die auf Elequer vergangen waren, während sie und Eliase sich von Stern zu Stern jagten, die Konsequenzen ihrer Relativität.
„Ich werde nie einen anderen Menschen so hassen wie dich“, sagte sie Eliase. „Du hast mir so viel genommen, und ich dir. Aber du warst immer da, um von mir gehasst zu werden. All die anderen, ob ich sie liebte, hasste, oder sie mir egal waren, die starben. Wurden alt. Sie waren nicht mehr da, wenn ich von dieser oder jener Mission zurückkam. Die Zeit holte sie sich, Zeit und Leben auf Planeten. Ich habe nur noch dich. Also reparier dein Schiff, komm zurück nach Elequer, dann können wir uns weiterhassen.“